Die Arbeit in Gruppen ist eine sinnvolle Ergänzung zur Einzeltherapie. Die Patienten lernen sich im Gruppenkontext zu öffnen und erhalten eine Vielzahl an Perspektiven von ihren Mitpatienten. Sie können unterstützdene Netzwerke aufbauen, die sich gegenseitig unter die Arme greifen. Als Therapeut ist die Arbeit in Gruppen spannend, weil die Interaktion des Patienten mit anderen beobachtbar wird. Durch die Verhaltensbeobachtung wird eine adäquatere Behandlung möglich. Kurz: Gruppentherapie ist eine ökonomische, wirksame und spannende Form der Therapie – Sofern man sie sinnvoll gestaltet. Hier schaffe ich einen Überblick wie ich Gruppen in meiner Arbeit gestalte.

  • Der Größte Feind

    In dieser Gruppenübung reflektieren die Patienten im Austausch ihr Selbstbild. Hierbei lernen die Patienten das größte Hindernis in der Heilung kennen: Sich selbst.

    Wie immer bekommt jeder Patient ein Klemmbrettchen mit ein Paar Blättchen und einen Kugelschreiber. Dann bitte ich die Patienten zunächst darum alle negativen Eigenschaften aufzuschreiben die Ihnen über sich selbst einfallen. Wenn ich merke, dass keiner mehr schreibt, stoppe ich.

    Als nächstes Bitte ich darum, dass sie alle positiven Eigenschaften aufschreiben, die Ihnen zu sich selbst einfallen. Hier werden die Patienten wahrscheinlich weniger aufschreiben und auch immer wieder mal ratlos drein schauen.

    Zuletzt bitte ich die Patienten alle positiven Eigenschaften an jemandem aufzuzählen, der zwei oder drei Plätze weiter sitzt. Das wird unter Umständen auch nicht ganz einfach sein, aber für gewöhnlich geben sich die Menschen viel Mühe etwas positives zu finden.

    Danach bitte ich die Patienten auszuzählen:

    • Wie viele negative Eigenschaften sie bei sich selbst gefunden haben.
    • Wie viele positive Eigenschaften sie bei sich selbst gefunden haben.
    • Wie viele positive Eigenschaften sie bei anderen gefunden haben.

    Normalerweise ergibt sich dann folgende Rangfolge, bei den Patienten:

    1. Eigene Negative Eigenschaften
    2. Fremde positive Eigenschaften
    3. Eigene positive Eigenschaften

    Oder kurz: Schlechte Eigenschaften treten an sich selbst häufig sehr deutlich in der Wahrnehmung hervor. Stärken sieht man bei anderen meist einfacher und leichter, als an sich selbst.

    Hier kann man sehr gut die Selbstzerfleischungstendenzen aufzeigen, die Patienten häufig von sich selbst haben. Ich bitte die Patienten dann häufig die Positiven Dinge von anderen Patienten mal zu nennen, die sie notiert haben. Häufig entsteht dann eine warme wohlige Athmosphäre mit einigen „warmen Duschen“.

    Ich bitte die Patienten auch die positiven Dinge, die sie selbst gefunden haben kundzutun. Zuletzt bitte ich die Patienten sich eine Eigenschaft an sich selbst auszusuchen, die Ihnen nicht so gefällt um daran eine Vorgehensweise zu illustrieren.

    „Bitte überlegen sie sich, was ein sehr wertschätzender Freund, oder eine väterliche oder mütterliche Figur zu Ihnen sagen würde, wenn sie bemerkt, dass sie so über sich denken.“

    Unterbrechen sie dann bitte in der Selbstzerfleischung den Gedanken, und überlegen Sie sich, was diese Figur zu ihnen sagen würde. Ich sammel die dann „Schwächen“ ein und überlege mit dem Rest der Gruppe, was diese wertschätzende Person sagen könnte.

    „Ich lasse mich immer unterbuttern!“, achso sie meinen, dass sie sehr rücksichtsvoll sind?

    „Ich bin schüchtern!“ sie wollen die Grenzen anderer nicht überschreiten und sind daher vorsichtig?

    Sie können sich alle erdenklichen Eigenschaften vorstellen, die andere häufig netter zurückmelden können als man selbst. Häufig sind darin sogar Stärken enthalten die man herausfinden kann.

    Zuletzt sollen die Patienten das Vorgehen verinnerlichen:

    1. Stoppe den negativen Gedanken
    2. Denke was die wertschätzende Person sagen würde
    3. Benutze diesen Satz als Affirmation

    Diese Übung ist in der Gruppe häufig effektiver als im Einzel, da die Patienten einem Therapeuten oft implizit unterstellen wollen, dass er einem aus instrumentellen Zwecken Komplimente macht.

    Hier kommt die warme Dusche von den Mitpatienten. Viele sind komplett überrascht, wie positive andere über sie denken.

  • Spaß mit Flaggen

    In vielen Bereichen der Therapie begegnen wir Menschen, die den Überblick auf die Bedürfnisse in Beziehungsfragen verloren haben. Viele Menschen erhalten Beziehungen aufrecht, die auf lange Zeit nicht gut für sie sind. Andere wiederum wissen nicht, zu welcher Typ Mensch sie Beziehungen aufbauen sollen.

    Ich beginne die Gruppe häufig damit, dass ich betone wie wichtig zwischenmenschliche Beziehungen für uns sind. Unseren Selbstwert ziehen wir in der Regel durch soziale Bewertungen anderer, es ist also sinnvoll, wenn wir uns mit Menschen umgeben die uns gut tun und möglichst wenig Menschen um uns herum haben die uns nicht gut tun.

    Ich versorge die Teilnehmer mit Klemmbrettern und bitte sie das Blatt im Querformat einmal zu dritteln.

    Also Frage ich die Patienten nach ihren Redflags: Welche Eigenschaft sollte ein Freund/Partner nicht haben?

    Hier könnten zum Beispiel folgende Eigenschaften kommen:

    • Gewalt / Grenzüberschreitungen
    • Konsum
    • Abwertung
    • Unzuverlässigkeit / Unverbindlichkeit
    • Kritikunfähigkeit
    • Gier
    • Maskierung
    • Ignoranz
    • Manipulation / Gaslighting / Tratsch

    Danach frage ich die Patienten nach ihren Greenflags: Welche Eigenschaft sollte ein Freund/Partner haben?

    Hier könnten zum Beispiel folgende Eigenschaften kommen:

    • Gegenseitigkeit
    • Vertrauen / Aufrichtigkeit
    • Verbindlichkeit /Empathie
    • Ähnlichkeit, z.B in
      • Offenheit
      • Nähe-Distanz-Bedürfnis
      • Werten und Zielen
      • Humor

    Nachdem nun die Redflags und Greenflags beleuchtet wurden, kann man mit den Patienten diskutieren wo die Yellowflags sind. Das sind Eigenschaften, die einen Menschen eher unattraktiv machen, aber nicht sofort bedeuten, dass man sie meidet. Dazu gehören zum Beispiel:

    • Selbstverliebtheit
    • Neugier
    • Maskierung
    • Humorlosigkeit
    • Unähnlichkeit in …

    Wann muss man aufpassen und genauer hinschauen im Beziehungsprozess?

    • Ab wann macht es Sinn sich zu lösen?
    • Wie viele Kriterien müssen in der eigenen Liste erfüllen um jemanden auszusortieren?
    • Wie kann man Beziehungen sinnvoll beenden?
    • Wie kann man sich im Notfall schärfer abgrenzen?
    • Wo findet man Greenflag-Menschen?
    • Wie bahne ich Beziehungen an?
    • Was mache ich mit den Yellow-Flags, die zwar keine No-Gos sind, aber auch nicht attraktiv für mich sind?

    Häufig entstehen so recht angeregte Diskussionen darüber welche Beziehungen man pflegen und hegen sollte und wo man sich besser abgrenzen sollte.

  • Was fiel vom Laster?

    Häufig haben Menschen sich in ihrem Leben in irgendwelche Sackgassen entwickelt und haben dabei vergessen, welche Kompetenzen, Bedürfnisse, Tätigkeiten und Leidenschaften größere Bedeutung hatten und sich positive auf ihr Leben ausgewirkt haben.

    Durch eine Fixierung auf den aktuellen unbefriedigenden Status Quo, haben Klienten häufig vergessen, dass sie sich nur eigenverantwortlich aus der aktuellen Situation befreien können, und vor allem, dass sie eine Wahl haben sich für oder gegen bestimmte Lebensinhalte zu entscheiden.

    In ein paar einleitenden Worten sollte daher geschildert werden, dass wir oft Dinge haben, die uns Freude bereiten, die uns erfüllen und die unser Leben bereichert haben, die wir jedoch einfach aus den Augen verloren haben. Wir könnten es wieder ins Leben zurück holen, wir versuchen daher uns zu erinnern, was wir vielleicht auf dem Weg verloren haben.

    Bittet die Patienten nun aufzuschreiben was sie in den verschiedenen Altersspannen in ihrem Leben getan haben, wenn sie Zeit und Muße hatten. Was haben sie getan, wenn sie tun konnten was sie wollten? Was hätten sie gerne getan, wenn sie mehr Zeit gehabt hätten? Gab es Vorhaben die nicht realisiert wurden? Was haben sie in folgenden Altersspannen getan? Was hätten sie gerne noch getan? Ich gebe hier die Altersspannen vor, mit ein paar fiktiven Beispielen.

    • 5-10 Jahre: Zeichnen, Klettern, Radfahren, Schwimmen, Basteln
    • 10-15 Jahre: Pfadfinder, Schreiben, Gitarre spielen, Singen
    • 15-20 Jahre: Moped fahren, tanzen gehen, lesen
    • 20-25 Jahre: tanzen, joggen, Fitnesstraining,
    • 25-35 Jahre: Wochendausflüge, Poetryslams, Theater
    • 35-45 Jahre: Improtheater, Kochabende, Lesen,
    • 45-55 Jahre: Wanderausflüge, Joggen, Lesen
    • 55-99 Jahre: Stricken und essen 😉

    Häufig geraten die Klienten miteinander in positiven Austausch miteinander über gewissen Akitivitäten. Hierbei entsteht häufig ein Geld zwischen Schwärmen und Bedauern für bestimmte Tätigkeiten.

    Es können dann folgende Fragen helfen verschiedene Dinge zu konkretisieren oder bestimmte Werte zu hinterfragen:

    • Wieso wurden diese Tätigkeiten aufgegeben?
    • Welche Werte waren für Sie wichtig?
    • Haben sie auf das falsche Pferd gesetzt dabei?
    • Gibt es Dinge die sie aktuell Verringern sollten?
    • Was könnten Sie in ihr Leben zurückholen, was verloren gegangen ist?

    Häufig entsteht eine relativ angenehme Gruppenathmosphäre. Meist entwickelt sich beim Besprechen ein reger Austausch über Lebensbereiche. Ein Bedauern bestimmte Dinge nicht mehr zu tun, die Erkenntnis, dass man seine Zeit in den falschen Domänen fokussiert hat.

    Es hat sinn noch etwas Zeit in die Operationalisierung zu investieren. Das kann mit folgenden Fragen geschehen:

    • Haben sie etwas gefunden, was sie ins Leben zurück holen möchten?
    • Was steht Ihnen dabei ihm Wege?
    • Welche Hindernisse müssten überwunden werden, damit diese Veränderungen von statten gehen könnten.
    • Wie können diese Hindernisse konkret überwunden werden?

    Idealerweise werden die Patienten im Rahmen der Gruppensitzung feststellen, dass sie bestimmte Dinge aus dem Leben geworfen haben, die hilfreich waren. Natürlich können diese Dinge auch wieder in das Leben zurückgeholt werden. Dazu wird man eventuell Verhaltensweisen aufgeben müssen, die einen ohnehin nur belasten. Insgesamt soll es die Patienten dazu motivieren wieder Agend und Gestalter des eigenen Lebens zu werden.

  • Superheldenschmiede

    Bittet eure Patienten ihre Störung als einen Superbösewicht darzustellen. Dabei sollen sie sich zu folgenden Punkten gedanken machen:

    • Wie heißt der Super-Bösewicht?
    • Wie sieht er aus?
    • Welche bösen Kräfte hat er?
    • Was ist sein Signature Move?
    • Was ist sein Signature Sound?
    • Was ist sein Kryptonit? Wogegen ist er anfällig?

    Jeder Super-Bosewicht braucht einen Gegenspieler – einen Superhelden der seine miesen Machenschaften unterbinden kann. Wie müsste jemand aussehen, der diesen Superschurken unter Kontrolle bringen kann? Auch hier fragen wir uns, beim Gestalten des Superhelden.

    • Wie heißt der Super-Held?
    • Wie sieht er aus?
    • Welche Super-Kräfte hat er? Was braucht er um den Schurken zu besiegen?
    • Was ist sein Signature Move?
    • Was ist sein Signature Sound?
    • Was ist sein Kryptonid? Was kann ihn am Erfolg hindern?

    Wenn die Patienten die Superhelden und Bösewichter erstellt haben, können die Eigenheiten auf einem Whiteboard mit Pictogrammen zusammengetragen werden.

    Danach darf es albern werden. Die Patienten dürfen den Signature-Move ihres Superhelden zeigen und den Signature-Sound imitieren. Ich bitte die Patienten dann immer, das nächste mal wenn sie mich in der Klinik sehen mich mit dem Signature-Move zu grüßen.

    Auch hier werden sehr negative Gedanken verzerrt und distanziert. Diese Übung dient einerseits der Defusion andererseits der Zielfindung. Zudem macht es Spaß, wenn sich alle nicht allzu ernst nehmen :).

  • Der Schwächenwandler

    Häufig fallen Patienten viele Schwächen an der eigenen Person unmittelbar ein. Stärken erkennen wir häufig nicht in gleichem Maße an. Viele Patienten haben einen Fokus auf die negativen Charaktereigenschaften. Friedemann Schulz von Thun postulierte, dass es keine schlechten Eigenschaften im Eigentlichen gibt, sondern nur ein „zu viel des Guten“. So alles was gut ist, schlecht werden, wenn man es übertreibt. Wenn man zu sparsam ist, ist man geizig, wenn man zu goßzügig ist, ist man verschwenderisch. So beinhaltet eine Schwäche immer auch eine Stärke – eine der wir uns oft nicht bewusst sind.

    Zu Beginn der Gruppe werden die Patienten gebeten eine oder zwei Charakterschwächen zu notieren. Dann wird gefragt ob jemand wissen möchte, wie man das in eine Stärke verwandeln kann. Das „Opfer“ gibt dann seine Schwäche preis. Als Therapeut überlegt man dann was da zu viel des Guten ist. „Ich lasse mich immer zu schnell auf Menschen ein.“ Man könnte dies in „Naivität“ zusammenfassen, oder als Anhänglichkeit.

    Mit dem Patienten entwickeln wir nun den positiven Gegenwert. Man öffnet sich zu schnell, würde bedeuten, dass der positive Gegenwärt Offenheit wäre. Das Gegenteil von Offenheit wäre Zurückhaltung, wenn man diese Übtertreibt hätte man Schüchternheit oder Passivität. In der Regel wird die Gruppe irgendwann recht engagiert darin zu überlegen und mitzugrübeln welche Schwächen in den Stärken sind. Ein Standardbeispiel wäre optisch so darfgestellt:

    Nun kann man den Weg in die Stärken auch offenlegen. Wenn wir geizig sind, sollten wir größzügiger werden. Sind wir verschwenderisch, sollten wir sparsamer werden. Der Weg in die Stärke ist immer mit der Stärkung des positiven Gegenwerts verbunden.

    Dieser kann entwickelt werden, in dem man einen Wert mehrere ACT-Werte übersetzt. ACT-Werte bestehehen aus einem Verb und einem Adjektiv. „Gezielt Einkaufen“ wäre ein ACT-Wert, den man mit Sparsamkeit in Verbindung bringen könnte. Sofern man sich vorher überlegt und plant was man braucht, und dann nur das kauft, wird man weniger Geld ausgeben, als wenn man das nicht plant. Ein anderer ACT-Wert könnte sein „Mahlzeiten planen“, zum Beispiel um weniger unterwegs zu essen und damit automatisch Geld einzusparen.

    So kann in der Gruppe der Weg zu den Stärken eröffnet werden und operationalisiert und konkretisiert werden.